Das Leid mit dem Aussie-Dollar

Published in Basler Zeitung (Basel), 22 August 2011 (PDF)

Anders als die Schweizer können die Australier kaum von ihrer starken Währung profitieren

Mögen auch die Schweizer einsam gegen die Aufwertung des Frankens kämpfen, allein sind sie mit ihren Währungsproblemen nicht. Auf der anderen Seite der Welt machen die Australier ganz ähnliche Erfahrungen mit dem australischen Dollar. Der befindet sich seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise auf einem historischen Höhenflug und bereitet damit Wirtschaftspolitikern und Zentralbankern Kopfzerbrechen.

Auf den ersten Blick mag die Parallele zwischen der Schweiz und Australien überraschen. Das Einzige, das Franken und australischen Dollar bislang verband, war ihr starkes Handelsvolumen, das in keinem Verhältnis zur jeweiligen Landesgrösse steht. Aber sonst überwogen stets die Unterschiede. Der Franken galt auf den internationalen Devisenmärkten als Inbegriff von Solidität. Der Aussie-Dollar hingegen wurde eher als Risikowährung gesehen, die sich in Zeiten globaler Unsicherheit für gewöhnlich stark abwertet. Doch diese Gewissheit gilt nicht mehr.

Seit Ausbruch der Finanzkrise im Sommer 2007 haben sowohl der Franken als auch der Aussie-Dollar gegenüber den internationalen Leitwährungen stark zugelegt, wenn auch nicht ganz im gleichen Ausmass. In den vergangenen vier Jahren gewann der Franken gegenüber dem Euro 45 Prozent, gegenüber dem US-Dollar 54 Prozent und gegenüber dem britischen Pfund 88 Prozent an Wert. Beim australischen Dollar waren es immer noch beträchtliche Zuwächse von 16 Prozent zum Euro, 24 Prozent zum US-Dollar und 50 Prozent zum Pfund.

In der Schweiz liegen die Ursachen für die Aufwertung in der Euro-Krise. In Australien sind andere Faktoren am Werk. Ein Grund ist der sprunghaft gestiegene Handel mit China. Der chinesische Wirtschaftsboom, der auch noch in der Finanzkrise jährliche Wachstumsraten von knapp zehn Prozent erreichte, ging mit einem gewaltigen Rohstoffhunger einher. Davon hat kaum ein Land so profitiert wie das mit Kohle und Erzen reich gesegnete Australien.

Gleichzeitig stiegen auf den Weltmärkten die Preise für Australiens Hauptexporte stark an, während sie für Australiens Importe stabil blieben oder sogar fielen. Das Verhältnis von Export zu Importpreisen – Ökonomen sprechen auch von den «Terms of Trade» – war für Australien seit 150 Jahren nicht mehr so günstig wie heute. Da China zudem die Spekulation in seiner eigenen Währung durch die Kopplung an den US-Dollar weitgehend unterbindet, sind Devisenhändler dazu übergegangen, den australischen Dollar quasi als Stellvertreter für China zu betrachten. Von den frei gehandelten Währungen ist nämlich keine andere so sehr mit dem Schicksal Chinas verknüpft. Wenn man daher den Höhenflug des Aussie- Dollars mit einem Wort erklären wollte, dann wäre dieses Wort «China».

Für australische Verbraucher ist es noch schwerer als für die Schweizer, von ihrer Hartwährung zu profitieren. Ganz ähnlich wie in der Schweiz sind nämlich die Kostenvorteile für Importgüter im Detailhandel nicht angekommen. Doch während sich in der Schweiz zumindest eine Einkaufsfahrt über die Grenzen anbietet, fehlt es auf dem isolierten Inselkontinent an praktikablen Shopping-Alternativen. Mit einer Ausnahme: dem Online-Handel.

Seit dem Anstieg des Aussie-Dollars haben die Australier den Internethandel entdeckt. Früher war es prohibitiv teuer, sich seine Einkäufe um die halbe Welt nach Sydney, Adelaide oder Melbourne schicken zu lassen. Heute aber sind die Preisunterschiede zwischen Australien und dem Rest der Welt so enorm, dass es sich für Privatpersonen lohnt, einzelne Bücher aus England, DVDs und Elektronik aus Amerika und Schuhe aus Asien einzuführen. Dass bei Importen bis zu einem Wert von 1000 Dollar (etwa 830 Franken) keine Einfuhrumsatzsteuer anfällt, vergrössert den Preisvorteil umso mehr – sehr zum Missfallen des australischen Detailhandels, der sich über die angebliche Wettbewerbsverzerrung beklagt.

Die hohen Detailhandelspreise in Australien sind allerdings hausgemacht. Nicht nur, dass fallende Importpreise nicht an die Verbraucher weitergegeben werden. Auch sind australische Produktmärkte durch Regulierungen, Steuern und Zölle vor internationaler Konkurrenz geschützt. Bananen sind ein gutes Beispiel. Anfang des Jahres hatten ein Zyklon und schwere Überschwemmungen grosse Teile der Bananenernte zerstört. Den Weltmarktpreis für Bananen hatte dies kaum beeindruckt, denn Australien ist nur ein kleinerer Produzent. Da aber der australische Markt vorgeblich aus Sorge vor Bananenschädlingen für Importbananen geschlossen ist, zahlen australische Verbraucher inzwischen Preise von 14 Dollar pro Kilogramm – statt sie für ein Zehntel davon zu importieren.

Auf dem Automarkt sieht es nicht besser aus. Statt den Dollar dafür zu nutzen, billig international einzukaufen, sind Wagen der europäischen Mittel- und Oberklasse nirgendwo auf der Welt so teuer wie in Australien. Für einen Mercedes der S-Klasse zahlt man im Schnitt mehr als das Doppelte des mitteleuropäischen Preises. Ein Grund dafür ist die Luxusautosteuer, die erst ab einem Preis greift, zu dem sie in Australien produzierte Autos nicht betrifft. Ein versteckter Einfuhrzoll also. Auf diese Weise haben es die Australier geschafft, von ihrer starken Währung nur die Nachteile zu realisieren. Die Exportwirtschaft ausserhalb des Bergbaus stöhnt unter verminderter Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig führt ein stark reglementierter Einzelhandel dazu, dass Australier von der Stärke des Aussie-Dollars gerade einmal im Urlaub profitieren. Oder bei Amazon und eBay.

Vielleicht ist es den vom starken Franken geplagten Schweizern ein kleiner Trost, dass auf sie Schnäppchenpreise nur einen Steinwurf hinter der Grenze warten. Ein Sydneysider muss dafür drei Stunden nach Neuseeland fliegen.

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