Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Published in liberal (Potsdam), 6 June 2012

Die Immobilienkrise, die zur weltweiten Banken und nun Währungskrise wurde, begann mit einem staatlichen Programm zur Förderung von Wohneigentum für einkommensschwache Amerikaner. Doch sie hätte wesentlich weniger gravierend ausfallen können, wenn die Banken hinreichend reguliert gewesen wären.

Vor einigen Jahren hatte die Deutsche Bank eine neue Werbekampagne aufgelegt. Neben den üblichen Hochglanzbildern von glücklichen Bankkunden bestach sie vor allem durch ihren eindringlichen Slogan: “Vertrauen ist der Anfang von allem.”

Nun wissen wir seit Lenin, dass Vertrauen zwar gut, Kontrolle aber besser ist. Was wir in der Weltfinanzkrise zusätzlich gelernt haben: Der Deutsche Bank-Slogan gilt leider auch umgekehrt. Wenn das Vertrauen in die Banken verloren ist, dann erwartet Anleger, Aktionäre und Steuerzahler ein böses Ende. So stellt sich denn die Frage, ob man den Banken Vertrauen schenken darf, ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln, oder ob es nicht gerade im Bankenbereich der ordnenden Hand des Staates bedarf.

Nun könnte man es sich als prinzipienfester Liberaler leicht machen und argumentieren, dass für Banken dieselben Prinzipien wie für alle anderen Unternehmen in einer freien Marktwirtschaft gelten müssen. Das ist erst einmal eine sympathische Forderung: Zur Freiheit des Wettbewerbs gehört immer die Freiheit des Scheiterns. Wer Gewinne realisieren will, darf sich auch über Verluste nicht beklagen.

Im Zweifelsfall hieße das, strauchelnde Banken untergehen zu lassen. Darüber dürften sich dann weder Sparer beklagen, die zuvor mit guter Verzinsung gelockt worden waren, noch die Aktionäre der Bank, die im Erfolgsfall ganz selbstverständlich von sprudelnden Gewinnen profitiert hätten. Doch so einfach liegen die Dinge bei den Banken nicht. Die disziplinierende Wirkung der Insolvenzmöglichkeit verpufft schnell, wenn angestellte Bankmanager mit riskanten Geschäften enorme Boni für sich selbst erzielen können, selbst wenn ihre Banken dadurch langfristig Schaden nehmen.

Bedenkt man zudem, wie in repräsentativen Demokratien mit der Insolvenz von Banken typischerweise umgegangen wird, dann darf man erst recht nicht auf die Selbstreinigungskräfte des Marktes hoffen. Im Zweifel wird ihnen nämlich keine Chance gegeben. Keine Regierung wagt es, Tausende oder gar Millionen Menschen ihre Ersparnisse verlieren zu lassen. Das gilt selbst dort, wo keine rechtliche Verpflichtung zur Kompensation besteht.

Damit nicht drohende Verluste im Bankensektor regelmäßig auf die Allgemeinheit abgeschoben werden, braucht es somit für die Banken eine vorbeugende Regulierung. Dazu gehört etwa die Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken. Aber vor allem strikte Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung sind unabdingbar. Wo kaum noch Kapital für Risiken einsteht, steht das Haftungsprinzip letztlich nur noch auf dem Papier. Je größer eine Bank wird und je schwerwiegender ihr Scheitern damit wäre, umso größer sollte ihre risikogewichtete Eigenkapitalquote sein.

In der Praxis könnte man sich das vorstellen wie eine progressive Besteuerung. Kleinbanken mit geringem systemischem Risiko müssten eine niedrigere Eigenkapitalquote aufweisen als Regionalbanken. Großbanken hätten wiederum deutlich mehr Risikopuffer bereitzustellen als alle anderen Banken. Die prozentuale Höhe des Pflichteigenkapitals wäre dabei an die Bilanzsumme gekoppelt. So würden nicht nur höhere Risiken besser abgesichert. Dem ungehemmten Wachstum einzelner Institute wäre zudem ein Riegel vorgeschoben, denn mit zunehmender Größe sinken dann auch die Eigenkapitalrenditen.

Auch die Zentralbanken haben die Pflicht, ihren Teil dazu beizutragen, finanzielle Schieflagen zu verhindern. Märkte mit billigem Zentralbankgeld zu überschwemmen – sei es durch zu niedrige Zinsen, sei es durch kaum ausreichend abgesicherte Refinanzierungsgeschäfte – trägt sicherlich nicht dazu bei. So werden nur neue Blasen geschaffen, die über kurz oder lang zu weiteren Verwerfungen im Bankensektor führen müssen.

Vertrauen mag der Anfang von allem sein. Aber die Finanzkrise hat gezeigt, dass es auch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten am Ende nicht ohne eine intelligente Kontrolle des Bankwesens geht. Bankenzerschlagungen braucht es dazu gleichwohl nicht, wohl aber eine konsequentere Durchsetzung des Prinzips der Haftung sowohl für Bankaktionäre als auch für Topbanker.

DR. OLIVER MARC HARTWICH leitet die Denkfabrik „The New Zealand Initiative”. Nach Studium im Ruhrgebiet und Wirtschaftsforschung in London und Sydney hat es ihn ins windige Wellington verweht. Eine südlichere Hauptstadt hat er nicht gefunden.

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