Wettbewerb, Werbung und Recht

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Review of the book by Dr. Uwe Hoffmann (University of Bochum), published in JR – Juristische Rundschau, No. 4, 2005, pp. 174-175:

Hartwich, Oliver Marc, Wettbewerb, Werbung und Recht ‑ Eine Kritik des Rechts des unlauteren Wettbewerbs aus historischer, rechtsvergleichender und ökonomischer Sicht ‑ zusammengeführt am Beispiel der vergleichenden Werbung. Herbert Utz Verlag München 2004, XXV, 633 S., 74,‑ €

»Es gibt drei Arten von Werbung: laute, lautere und unlautere.«
Werner Mitsch, deutscher Aphoristiker

Gut gelungene, oft sogar witzige Werbung empört nicht selten Konkurrenten und Wächter des Wettbewerbs, wobei erstere damit zugleich das Unglück beklagen mögen, nicht selbst auf eine derart brillante Werbeidee gekommen zu sein. Typisch hierfür ist die vergleichende Werbung, welche erst in jüngerer Zeit eine bescheidene rechtliche Akzeptanz gefunden hat. Dass es sich beim etablierten Recht des unlauteren Wettbewerbs um ein »Neidrecht« zugunsten von Mitbewerbern handelt, ist ein nicht fernliegender Schluss, durch den der Vorwurf bürokratischer Kleinkariertheit und juristischer Rabulistik m. E. zu einem Teil an die eigentlichen Streitverursacher zurückgeben werden kann. Abmahnungen, Schutzschriften, einstweilige Verfügungen, Abschlussschreiben und ‑ sollte es denn soweit kommen ‑ Klagen sind die Folge. Dabei sind die ökonomischen Wurzeln des Wettbewerbsrechts, in welchen vielfach der eben angesprochene Neidfaktor zum Ausdruck kommt, wenig geläufig, und der Wettbewerbsbegriff als solcher wird in der Praxis kaum hinterfragt. Hartwichs Buch setzt hier an und öffnet über den Vergleich mit anderen Rechtsordnungen Einsichten über Sinn und Unsinn der deutschen Regelung zum unlauteren Wettbewerb. Dass Wettbewerb auch dann funktioniert, wenn Rechtsvorschriften weniger reglementierend in das Werbeverhalten eingreifen, durchzieht als zentrale Aussage die Arbeit: »Die Marktergebnisse korrelieren ganz offensichtlich nicht mit der Regelungsintensität« stellt Hartwich bereits zu Anfang (S. 88) fest.

In den vier Hauptteilen der Untersuchung werden wirtschafts- und rechtshistorische Wurzeln des Wettbewerbsrechts unter besonderer Berücksichtigung des Sittenbegriffs des UWG erörtert, ein Rechtsvergleich mit dem angelsächsischen Rechtskreis und dort noch genauer am Beispiel des australischen Wettbewerbsrechts angestellt, eine ökonomische Analyse des Unlauterkeitsrechts vorgenommen und die gewonnenen Teilergebnisse schließlich am Beispiel der vergleichenden Werbung auf ihre Stichhaltigkeit ‑Bedeutung der »Lauterkeit« für die verschiedenen Interessengruppen, Schutzzweck des Rechts etc. ‑ untersucht. Geradezu unterhaltsam zu lesen ist die rechtshistorische Entwicklung des Unlauterkeitsrechts, zumal sie sinnvoll in die ökonomische Entwicklung in Deutschland eingebettet wurde. Der wirtschaftliche Aufschwung im Kaiserreich, die Marke als ein Ausgangspunkt für das Bedürfnis nach spezielleren Schutzmechanismen, der Übergang zu nazistisch geprägten Schutzzwecken und die Nachkriegsregelungen bis zur ‑ bei Drucklegung der Arbeit noch als Entwurf vorliegenden ‑ Neufassung des UWG von 2004 sind nur einige Leitpunkte der Ausführungen.

Grund für den Vergleich mit angelsächsischem, speziell australischem Recht ist die konkurrenzlose Regelungsdichte des deutschen Unlauterkeitsrechts, wobei gerade das australische Recht als Vergleichsmaßstab reizvoll ist, da es zumindest generalklauselartige Regelungen im Trade Practices Act (TPA) kennt, welche § 1 UWG a. E bzw. § 3 UWG n. E ähneln. Das angelsächsische Rechtssystem des Common Law mit seinen torts, defamations, deceits oder dem passing off als »Anspruchsgrundlagen« und den Rechtsfolgen (remedies) und Abwehrmöglichkeiten (defences) werden auch diejenigen verständlich dargestellt finden, welche sich bislang nicht oder nur wenig mit dieser Materie beschäftigt haben. Ein großzügiger Entscheidungen‑ und Vorschriftenapparat zum TPA am Ende der Arbeit erleichtern das Verständnis zusätzlich. Gerade der TPA bildet mit seinem speziell den Wettbewerb betreffenden Regelungszweck naturgemäß einen Schwerpunk der rechtsvergleichenden Betrachtung (S. 193 ff.).

Die Ökonomie der Marktregulierung rundet die Untersuchung ab (S. 295 ff.). Hier geht es u. a. um das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Werbung, welche erst mit der Zeit einen eigenständigen Stellenwert in den ökonomischen Modellbetrachtungen, die im Einzelnen behandelt werden, erhielt. Dass hier insbesondere das Verständnis von Wettbewerb als Prozess Schwierigkeiten mit Regulierungen desselben hat, nimmt nicht Wunder. Die Tatsache, dass es offenbar andernorts auch ohne Fallgruppenregeln wie den »psychologischen Druck« auf Verbraucher oder »aleatorische Reize« usw. als Unlauterkeitsanknüpfungen geht, lässt die konkrete Ausgestaltung der hehren Ziele des deutschen Wettbewerbsrechts in der Tat mitunter kleinkrämerisch erscheinen. Wer per Gesetz oder in Form von Richterrecht zahlreiche Hürden errichtet, erhöht gleichzeitig die Zahl denkbarer Unlauterkeiten. Hartwichs Kritik, die gesetzliche Wettbewerbsregulierung ignoriere hierbei weitgehend ökonomische Erkenntnisse, ist denn nach meinem Dafürhalten auch nicht von der Hand zu weisen.

Dem folgt die bereits eingangs angesprochene kritische Anwendung der gewonnenen Resultate auf den speziellen Fall der vergleichenden Werbung (S. 405 ff.).

Wer sich rechtlich und ökonomisch mit dem Bereich der (un‑) lauteren Werbung beschäftigt, könnte der Versuchung erliegen, eine trockene akademische Abhandlung zu verfassen, gleichsam um jedem Verdacht zu entraten, reklamehafter Frivolität verfallen zu sein. Dieser Versuchung ist Hartwich glücklicherweise nicht erlegen. In erfrischender Sprache wird das komplexe Thema spannend aufbereitet und unter höchst interessanten rechtlichen, ökonomischen und rechtsvergleichenden Aspekten untersucht. Gerade auch Juristen, welche sich mit dem Wettbewerbsrecht beschäftigen, sei etwa die Darstellung der historischen Entwicklung dieses Rechtsgebiets mit ihren Irrungen und Wirrungen ans Herz gelegt. Das Buch zeichnet im Einzelnen die historische Entwicklung des Wettbewerbsrecht unter den seinerzeit obwaltenden ökonomischen Bedingungen nach und wird sowohl dem positivistisch eingestellten juristischen Leser als auch dem Marketingfachmann in vielerlei Hinsicht die Augen öffnen. Die Sichtung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung ist beispielhaft.

Fazit: Der Vergleich mit angelsächsischem Recht erhellt ebenso wie die ökonomische Betrachtung, dass die Aufregung über unlauteren Wettbewerb oft ein (deutsches) Binnenproblem darstellt. So stößt die Handhabung der vergleichenden Werbung außerhalb Deutschlands eher auf Unverständnis. Wer das Anstandsgefühl aller gerecht und billig Denkenden oder, wie es in der Begründung zum Entwurf des neuen UWG (BT‑Drs. 15/ 1487) heißt, die »anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbständiger beruflicher Tätigkeit« zum Maßstab erhebt, an dem sich der Wettbewerb messen lassen soll, kann auf den Blick auf andere Rechtsordnungen nicht verzichten. Hartwich hat die verschiedenen Betrachtungsweisen souverän in seiner höchst lesenswerten Arbeit zusammengeführt.

Oberstudienrat im Hochschuldienst Dr. Uwe Hoffmann, Bochum