Auch Afrika ist noch nicht verloren

Published in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 17 June 2007, page K6 

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Nicht die Dürre ist das Problem Afrikas. Es fehlen Recht und Ordnung, um erfolgreich wirtschaften zu können. Selbst bei großer Hitze.

Der Verlierer steht angeblich schon fest. Afrika ist das erste Opfer des Klimawandels. So haben Wissenschaftler herausgefunden, dass das Wetter über dem Atlantik jetzt schon die Ernten in Afrika beeinträchtigt. Sie behaupten, der Klimawandel könne Afrikas Nahrungsangebot um weitere 20 bis 50 Prozent senken.

Das würde allerdings nur stimmen, wenn außer dem Klima keine anderen Umstände die landwirtschaftliche Produktion beeinflussten. Aber es gibt andere Faktoren, wie ein Beispiel belegt: Australien ist trocken und reich, Zimbabwe dagegen fruchtbar und arm. Doch das Klima ist vergleichbar. Die amerikanische Wissenschaftsakademie (National Academy of Science) veröffentlichte kürzlich eine Studie, der zufolge das Wetterphänomen El Niño und der Luftdruck über dem Atlantik im Zusammenspiel die Ernteerträge der Bauern in Afrika beeinflussen. Die Autoren behaupten, dies könne dazu führen, dass in Zukunft bis zu 20 Millionen Afrikaner mit deutlich weniger Nahrung auskommen müssten.

Dass das Wetter Ernten beeinflusst, ist wenig überraschend. Doch der Klimawandel entscheidet längst nicht allein darüber, ob Afrikas Landwirtschaft blüht oder verdörrt. Mindestens ebenso wichtig sind institutionelle Rahmenbedingungen, Anbaumethoden und wirtschaftliche Freiheit.

Um zu verstehen, wie die Landwirtschaft vom Klima abhängt, hilft ein Blick in die Geschichte. Es gibt ein Land, das im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert stark von der Landwirtschaft abhing. Sie machte mehr als 30 Prozent der Wirtschaftsleistung aus und lieferte die wichtigsten Exportgüter. Darum war dieses Land anfällig für alles, was die Landwirtschaft beeinträchtigte. Die Menschen hatten Angst vor Dürren, und ein Preisverfall auf dem Weltmarkt für Wolle verursachte eine schwere Wirtschaftskrise in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts.

Man könnte annehmen, dass solch ein Land auch heute noch Angst vor dem Klimawandel haben müsste: Wenn die Landwirtschaft so ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war, wenn Dürren die Nahrungsversorgung stören konnten, wenn das Land von seinen Agrarexporten abhing, dann müsste es doch gerade jetzt angesichts des Klimawandels in tiefer Sorge sein.

Doch dem ist nicht so, und das Land heißt Australien. Dessen Landwirtschaft war noch vor etwa einem Jahrhundert der mit Abstand wichtigste Sektor. Heute macht sie weniger als vier Prozent der Wirtschaftsleistung aus und beschäftigt nur einen kleinen Teil der arbeitenden Bevölkerung. In absoluten Zahlen ausgedrückt, produziert die australische Landwirtschaft trotzdem mehr denn je – obwohl Australien der trockenste Fleck der Erde ist.

Zum Vergleich: In Afrika arbeiten mehr als 70 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft, steuern aber nur 16,5 Prozent der Wirtschaftsleistung des Kontinents bei, südlich der Sahara sind es 29 Prozent.

Australien drohen Gefahren durch den möglichen Klimawandel, aber doch keine Katastrophen. Bewässerung, besseres Saatgut, Maschinen und Unkrautvernichter haben die Landwirtschaft nicht nur unabhängiger vom Wetter gemacht, sondern auch viel produktiver.

Darum konnten viele Australier anderes tun, als Weizen anzubauen oder Rinder und Schafe zu züchten. Sie fanden Arbeit in der Industrie oder im Dienstleistungssektor. So wurde Australien zu einer “wetterfesten Wirtschaft” mit einer Wirtschaftsleistung von mehr als 30 000 amerikanischen Dollar pro Kopf. Auch wenn Australien in Zukunft mehr Dürren erlitte, könnte es Lebensmittel immer noch beispielsweise aus Neuseeland importieren, dessen Klima günstiger ist. Eine Hungersnot hätte man auf dem fünften Kontinent jedoch nicht zu befürchten.

Die Frage ist also, was Australiens Übergang von einem Agrarland zu einer wetterfesten Wirtschaft befördert hat. Es wäre jetzt einfach, auf den technischen Fortschritt zu verweisen: auf Bewässerungsanlagen, Traktoren und Pestizide. Hinter all dem steht aber ein viel wichtigerer Faktor: Als Australien von den Briten besiedelt wurde, erhielt es die politischen Institutionen, die sich in Großbritannien über viele Jahrhunderte entwickelt hatten, vor allem den Rechtsstaat. Die Australier kannten gesicherte Eigentumsrechte: Sie konnten Eigentum an Land und Sachen anmelden, verteidigen und übertragen.

Das ist die Basis für eine Marktwirtschaft, die Wohlstand schafft. So wurde auch vieles möglich, das den Wohlstand weiter erhöht: eine bessere medizinische Versorgung, mehr Bildung, Forschung und Entwicklung.

Die Weltbank hat kürzlich versucht zu messen, wie viel Wohlstand in den Volkswirtschaften der Erde geschaffen wird. Wenn man die Ackerflächen pro Kopf betrachtete, waren die Unterschiede zwischen reichen und armen Ländern gering. Den entscheidenden Unterschied machte das immaterielle Kapital aus: der Bildungsstand der Einwohner und die Qualität der wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Institutionen.

An diesen Dingen zeigte sich am deutlichsten, welche Länder reich und welche arm waren. Australien hatte ein immaterielles Kapital von rund 300 000 amerikanischen Dollar pro Kopf angehäuft, viele afrikanische Länder erreichten nicht einmal ein Zehntel davon. Besonders bemerkenswert ist, dass die Experten der Weltbank rund 60 Prozent des immateriellen Kapitals auf das Vorhandensein eines effektiven Rechtsstaats zurückführten.

Australien muss den Klimawandel nicht mehr fürchten. Und zwar nicht deshalb, weil die Landwirtschaft des Landes so unbedeutend wäre, sondern weil sein Rechts- und Wirtschaftssystem Australien vom Wetter immer unabhängiger macht und damit letztlich unabhängiger von der Landwirtschaft.

Aus diesem Grund müsste der Klimawandel für Afrika keine Katastrophe sein. Aber um mit dem Klimawandel umgehen zu können, brauchen die Afrikaner die Institutionen einer freien Gesellschaft, damit ihre Landwirtschaften blühen und ihre Volkswirtschaften wachsen können. So wie es die Australier mit dem Rechtsstaat, Eigentum und freien Märkten vorgemacht haben, könnten auch die Afrikaner wetterfeste Wirtschaften schaffen.

Die große Frage bleibt, wie der Kontinent Institutionen schaffen kann, die Handel sichern und die Wirtschaft gedeihen lassen. Viele Entwicklungsprogramme haben hier wenig gefruchtet oder sogar kontraproduktiv gewirkt. Institutionelle Armut ist die Hauptursache für schlechte Ernten. Der Klimawandel sollte Afrikas geringste Sorge sein.

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